Ab dem 28. Juni 2025 gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz: BFSG) in Deutschland. Es setzt die EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act) um und soll die Gleichberechtigung und die diskriminierungsfreie Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, Einschränkungen und älteren Menschen fördern. Im Zuge dessen müssen auch Webseiten und Onlineshops (E-Commerce) für Verbraucher barrierefrei werden. Für einen Großteil aller Website-Anbieter ist eine barrierefreie Website ab 2025 Pflicht.
Was “barrierefreie Webseite” bedeutet und wie Sie jetzt schon mit deren Umsetzung starten könnten, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Warum barrierefreie Webseiten?
Stellen Sie sich einen normalen Tag vor: Sie googeln morgens das Wetter, dann schauen Sie sich in Ihrer Mittagspause an, ob es interessante Angebote in Ihrem Lieblings-Onlineshop gibt und spielen dann noch ein kurzes Game in einer App. Abends wird nochmal bei Instagram reingeschaut und ein wenig im Netz nach den Fußball-Ergebnissen geschaut und die Nachrichten auf Youtube. Alles ganz einfach, oder?
Für Menschen mit Einschränkungen, Behinderungen und ältere Menschen ist das nicht immer selbstverständlich: Wenn die Buttons einer Website zu klein sind, ist es schwer, sie korrekt zu bedienen. Wenn der Kontrast zwischen Schrift und Hintergrund zu gering ist, kann man gar nichts mehr erkennen. Wenn die Schriftgröße und der Zoom höher eingestellt werden, ist die Hälfte der Seite nicht mehr sichtbar. Wenn die Tastatur zur Navigation genutzt wird, braucht man ewig, um bis zum Hauptinhalt zu kommen. Wenn der Code nicht übersichtlich aufgebaut ist, kann der Screenreader die Seite oder App nicht verstehen. Wenn … Diese Liste könnten wir noch eine Weile fortführen, so sollte es die Problematik aber bereits gut verdeutlicht haben.
Denn genau darum geht es im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025. Auch Menschen mit Einschränkungen, Behinderungen und ältere Menschen haben das Recht, eine Webseite ohne Probleme bedienen und verstehen zu können. Gerade in der heutigen Zeit, in der wir fast alles über das Internet erledigen können, ist deshalb eine barrierefreie Website ein Muss.
Was bedeutet „barrierefreie Website“?
Barrierefreie Webseiten halten sich an vier Prinzipien: Wahrnehmbarkeit, Verständlichkeit, Bedienbarkeit und Robustheit. Diese bedeuten kurz gesagt, dass Informationen und Bestandteile der Benutzerschnittstelle Nutzern wahrnehmbar und verständlich präsentiert werden müssen. Zudem sollen Navigation und Co. sowohl durch Nutzer als auch durch Screenreader sowie andere assistive Technologien in der allgemein üblichen Weise und ohne besondere Schwierigkeiten bedienbar sein.
Barrierefreiheit im Web umsetzen
Es gibt bestimmte Anforderungen an Webseiten, um barrierefrei zu sein. Die Umsetzung von Barrierefreiheit auf der Website, bzw. dem Onlineshop von öffentlichen Stellen, richtet sich beispielsweise in der BITV (Barrierefreie Informationstechnik Verordnung, gültig für öffentliche Stellen) nach der DIN EN 301 549 (Europäische Norm) und den WCAG 2.1 bzw. 2.2
Die DIN EN 301 549 in Kapitel 9 bezieht sich auf die barrierefreie Gestaltung von Webseiten und verweist auf die Erfolgskriterien, die in den WCAG 2.1 festgehalten sind. Die WCAG 2.1 spezifizieren wiederum Erfolgskriterien in 3 Stufen: A bis AAA. In Deutschland sollen dabei wohl die Stufen A und AA eingehalten werden. Die Einhaltung einer Stufe bedeutet das Erfüllen aller relevanten Erfolgskriterien der Stufe, sofern es Elemente auf der Webseite gibt, die davon betroffen sind.
Allerdings bleibt anzumerken, dass im BFSG in diesem Fall noch keine konkreten Richtlinien bzw. Umsetzungsmaßnahmen genannt oder beschrieben werden. Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit soll zu diesen Fällen in Zukunft weitere Informationen bereitstellen.
Übersicht: Schritte zur barrierefreien Website>
Ein paar Schritte können Sie jetzt schon in Richtung barrierefreie Website gehen:
Bilder, die Informationen vermitteln, benötigen einen sinnvollen Alt-Text, während rein dekorative Bilder keinen Alt-Text benötigen. Zudem sollen keine wichtigen Informationen in Bildern in Text-Form erscheinen, da diese nicht angepasst werden können.
Des Weiteren müssen Formulare einfach bedienbar und verständlich sein: Dazu gehört unter anderem die korrekte Benennung der Formularfelder, die richtigen Auto-Complete-Attribute, die Möglichkeit zum bestätigen/rückgängig machen/korrigieren sowie hilfreiche Lösungshinweise bei Formularfehlern.
Bewegte Elemente, wie z.B. Animationen, Videos und Slider müssen gestoppt werden können und Buttons dürfen nur drei Mal aufblinken. Zudem benötigen Audio- und Videoinhalte unter anderem Untertitel, Audiodeskription und die Möglichkeit, den Ton abschalten zu können.
Funktionalitäten und Aktionen, die auf der Webseite ausgeführt werden können, brauchen zusätzliche Alternativen: z.B. sollte neben Drag-and-Drop auch ein Button mit entsprechender Funktion existieren. Zudem müssen alle Funktionen mit Zeigegeräten (z.B. Mauszeiger, Finger), über Tastatur und Spracheingabe bedienbar sein. Außerdem muss das, was auf einen Klick folgt, erwartbar sein.
Die Navigation einer Webseite sollte für die Barrierefreiheit konsistent und übersichtlich sein. Zudem ist es zentral, dass es mehr als einen Weg gibt, auf Seiteninhalte zugreifen zu können, z.B. über die Navigation, die Suche und die Sitemap.
Außerdem müssen die Seiteninhalte auch bei starkem Zoom (z.B. 400 %) weiterhin sichtbar und nicht verdeckt sein. Dabei muss Text auf bis zu 200 % vergrößert werden können, ohne dass Teile des Textes oder der Webseite davon verdeckt werden oder ganz verschwinden. Der Kontrast zwischen Text und Hintergrund muss mindestens 4,5:1 bei Schriftgrößen unter 24px und mindestens 3:1 bei größerer Schrift sein.
Aber das hier genannte, sind noch lange nicht alle Einstellungen und Faktoren, die für eine barrierefreie Webseite nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz beachtet werden müssen. Außerdem liegen noch keine konkreten Anweisungen sowie Richtlinien für die Maßnahmen für nicht-offizielle Einrichtungen (z.B. Unternehmen, Privatpersonen, Arztpraxen) vor. Es gilt demnach, aktuelle Informationen weiterhin zu verfolgen.
Am besten wenden Sie sich dafür an Experten für barrierefreies Webdesign und nutzen Sie Tools wie den BITV-Test für Barrierefreiheit bei Webseiten sowie die WCAG-Erfolgskriterien.
Vorteile von barrierefreien Onlineshops
Die Investition in den Umbau der Webseite oder des Onlineshops lohnt sich nicht nur für die Menschen, die ohne Barrierefreiheit Schwierigkeiten haben, diese zu bedienen, sondern auch für die Unternehmen: Die Anpassungen sind für 100 % der Nutzer hilfreich, da sie für eine optimale Usability sorgen sowie Websites schneller und stabiler machen. Das hilft wiederum beim SEO-Ranking. Zudem können Unternehmen sowohl ihr Image positiv stärken und ihre Kundschaft ausbauen, da ihre Shops nun von mehr Menschen bedient werden können.
Fazit
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für Websites 2025 tritt in weniger als einem Jahr in Kraft und aus diesem Grund ist es zentral, dass Sie sich spätestens jetzt mit der Barrierefreiheit auf Ihrer Webseite oder Ihres Onlineshops zu befassen. Gute Gründe gibt es genug für barrierefreie Onlineshops: Bessere SEO, bessere Usability, mehr Nutzer, … doch allen voran steht die Gleichberechtigung.
Quellen:
Webinar „Einführung“, Bundesfachstelle für Barrierefreiheit: www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Fachwissen/Produkte-und-Dienstleistungen/Barrierefreiheitsstaerkungsgesetz/Webinare-BFSG-2025/Webinar-Auftakt/node.html
Webinar „Sensibilisierung für Zugänglichkeit und Nutzbarkeit“, Bundesfachstelle für Barrierefreiheit: www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Fachwissen/Produkte-und-Dienstleistungen/Barrierefreiheitsstaerkungsgesetz/Webinare-BFSG-2025/Webinar-Baustein-1-Sensibilisierung/node.html
BFSG: bfsg-gesetz.de
WCAG 2.1: www.w3.org/TR/WCAG21/
EN 301 549 – Version 3.2.1: www.etsi.org/deliver/etsi_en/301500_301599/301549/03.02.01_60/en_301549v030201p.pdf
BITV 2.0: www.gesetze-im-internet.de/bitv_2_0/BJNR184300011.html